vom Fliessen und vom Münden

Vernissage 2022, Galerie Wasserturm

Wir sind im Fluss
Text am Ende der Galerie.

Wir sind im Fluss.

Und wie wir hier stehen, so statisch und still die Bilder betrachten, rauscht und strömt es rund um uns und in uns unaufhörlich Tag und Nacht, ist keine Sekunde Stillstand. Ruhig und behäbig oder gewalttätig alles mit sich reißend strömen Wasser, Erde, Sand und Leben rund um den Globus immer der Schwerkraft folgend in Richtung der Mitte der großen Kugel. Nach einer langen Reise mündet ein jeder Strom in Seen, in eines der zahlreichen Meere und schließlich in einen der fünf Ozeane, die rund 70 Prozent der Erdoberfläche bedecken.

Die Mündung, the river mouth, der Mund des Flusses verändert zugleich alles und nichts. Wie ein Wort, das den Mund verlässt, oder vielleicht eine Seele den Körper, verliert sich der Fluss in der Weite. Wird still und ohne Richtung ein nicht mehr fassbarer Teil wohl desselben Elements aber ohne irgendeine Eigenheit, ohne Namen und ohne eigenen Charakter. Und ist doch nicht weniger und nicht mehr als zuvor in seinem Bett.

Und so sind die Flüsse eine Metapher, ein Bild und eine Geschichte.  Eine Geschichte, die nirgendwo beginnen muss, weil sie immer da war, im zarten Nebel, im Prasseln des Gewittersturmes, im Fluss, im Strömen unentwegt in einem Kreislauf rund um uns, in uns, durch uns hindurch, ohne irgendeinen Augenblick des Zweifelns der Schwerkraft folgend, immer im Wechsel von Ruhe und Sturm, Wirbel und Stille, heiß emporschießend als Geysir oder klirrend starr vor Kälte tausend Jahre ruhend im Eis der Pole.

Wir sind im Fluss, wir sind Fluss, wir sind Bewegung und Ruhe, wir fließen und wir münden, wir alle haben unsere Geschichten, wir haben Namen wie sie, sind manchmal groß wie der Nil oder der Jangtsekiang, wie Elbe, Seine oder Amazonas und manchmal klein wie das Mühlwasser oder der Gablitzbach. Immer aber Teil einer Geschichte.